Das Glück der hoffenden Erwartung

RS_Das-Glueck-der-hoffenden-Erwartung_w600_h415Da hat ein Jemand auf dem Erdboden, nachdem er alles beseitigt hatte, was darauf gewachsen war oder sich angesammelt hatte, einen Kreisbogen aufgezeichnet und am Rande in kurzen Abständen hölzerne Stangen eingesetzt. Wo diese oben enden sieht man nicht. In der Mitte liegt ein nackter Mensch, nur mit einem Tuch bedeckt. Die Hände beschäftigen sich mit der Stirn und dem Munde. Die Beine sind in strampelnder Bewegung wie bei einem Kinde. Die aufgerissenen Augen sind starr in die Weite gerichtet und der Mund lächelt etwas entrückt und blöde. Die himmelwärts gerichteten Stangen sind sein Werk, sie wirken wie ein Käfig, in dem der Mensch sich ungeniert räkelt und sich dem Nichtstun widmet.

Ein Mann ist hinzu getreten, hat zwei der Stangen erfasst und schaut fragend auf den seltsamen Käfigbewohner.

“Wer sind Sie? Was machen Sie da? Wie sind Sie überhaupt da hineingekommen?”

“So viele Fragen auf einmal. Soll ich sie beantworten?”

“Natürlich, ich bitte darum. Fangen Sie einfach mit einer von den dreien an.”

“Also gut. Wie bin ich in mich hinein gekommen?”

“Das habe ich nicht gefragt.”

“Nicht? Verzeihung. Das wäre eine Frage, die mich interessieren könnte. Aber was Sie alles wissen wollen ist mir fremd und neu.”

“Was denn, sollten Sie über Tun noch gar nicht nachgedacht haben?”

“So ist es. Wozu nachdenken? Der Mensch denkt und Gott lenkt. Gott ist allmächtig, er lenkt alles nach seinem Willen, da können wir Menschlein noch so viel herum denken. Ich bemühe mich erst gar nicht groß und lasse mich lenken, lasse alles nach göttlichem Willen geschehen…”

“Ja, machen Sie denn gar nichts?”

“Doch, ich hoffe.”

“Worauf?”

“Dass kleine Pflanzen aus dem Boden hervorbrechen und sich an den Stangen emporranken, die Zwischenräume groß und üppig ausfüllen und an den Stangenspitzen sich zusammenschließen. Wenn das geschehen ist, werde ich in einem grünen Haus ein geschütztes Leben führen, schwebend in zeitlosen Träumen.”

Dem verblüfften Besucher hat es die Sprache verschlagen. Seine Augen wandern haltsuchend am Boden hin und her und bleiben an den Stangen stehen.

“Welchen Samen haben Sie in den Boden gelegt, welche Pflanze soll dieses Wunderwerk vollbringen?”

“Darüber denke ich nicht nach, ich lasse alles geschehen.”

“Was soll aber wachsen, wenn nichts gesät ist!”

“Nichts wollen, nichts erzwingen, dann geschieht alles wie das Schicksal es will.”

“Dann überlasse ich Sie jetzt ihrem Schicksal und gehe. Leben Sie wohl im Hoffen.”

“Im Zustand der Hoffnung ist der Mensch am glücklichsten und ich will glücklich sein.”

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